Mitglied des Monats

Als „Sorge um das gemeinsame Haus“ formuliert Papst Franziskus seinen Appell für eine nachhaltige Zukunft. 2018 ist die Diözese Innsbruck diesem Aufruf gefolgt und wurde Mitglied im Klimabündnis – nur wenige Monate nachdem Hermann Glettler zum Bischof geweiht wurde.
Zwei Männer vor religiösem Denkmal im Wald in Innsbruck

Herr Bischof, was wünschen Sie den Tirolerinnen und Tirolern zu Weihnachten?

Versöhnung – das steht heuer ganz groß über der Weihnachtskrippe. Die überhitzten Debatten des letzten Jahres haben viele Beziehungen beschädigt. Das zehrt an unserer Energie. Ich wünsche uns, dass wir aufeinander zugehen und uns versöhnen – mit uns selbst, mit unseren Nächsten und auch mit der Begrenztheit unseres Lebens. Inspiration und Kraft zur Versöhnung kommen aus der Feier der Geburt Jesu. Daraus schöpfen wir neue Energie für 2022. 

Energie, die wir auch für die Bewältigung der Klimakrise brauchen. Welchen Beitrag kann die Diözese leisten?

Seit wir dem Klimabündnis-Netzwerk beigetreten sind, hat ein noch deutlicherer Bewusstseinswandel stattgefunden. Viele Pfarren und kirchliche Einrichtungen gehen unseren Weg mit und sagen: Ja, wir müssen unsere Verantwortung für die Schöpfung ernst nehmen. Das reicht vom Umstieg auf sanfte Mobilität und die Umsetzung energieeffizienter Bauprojekte, über die regionale Beschaffung und die Geldveranlagung nach ethischen Gesichtspunkten, bis hin zu internationalen Hilfsprojekten zur Förderung globaler Gerechtigkeit. Es ist wichtig, unsere öko-soziale Verantwortung in unserem Glauben zu verinnerlichen beziehungsweise aus der christlichen Spiritualität heraus zu begründen. 

Zwei Männer vor religiösem Denkmal im Wald in Innsbruck

In seiner Enzyklika „Laudato si“ schreibt Papst Franziskus, man müsste „die gesamte Menschheitsfamilie“ vereinen, um eine nachhaltige Zukunft zu gestalten. Wie schaffen wir es, alle ins Boot zu holen?

Es braucht eine gemeinsame Vision – im persönlichen, lokalen Umfeld und über alle nationalen, kulturellen und religiösen Grenzen hinweg. Aber woher nehmen wir die Kraft für die Umsetzung dieser Vision? Ich bin überzeugt, dass der christliche Glaube dafür eine sehr große Ressource ist. Wir haben die Schöpfung von Gott anvertraut bekommen, nicht als Beutegut, sondern „zu guten Händen“. Christliche Spiritualität bietet die nötige Anschubkraft für Veränderungsprozesse und auch den langen Atem – den nötigen Geist, die Geduld und das Durchhaltevermögen. 

Und wie sieht Ihre Vision von einem guten Leben für alle aus?

Wir müssen weg von dem Denken, dass Lebensqualität nur etwas mit dem Besitz von materiellen Gütern, noch mehr emotionalen Kicks und größerer Mobilität zu tun hätte. Bewusste Reduktion, das heißt Verzicht, trägt wahrscheinlich mehr zu Zufriedenheit, Dankbarkeit und Glück bei. Die vorhandenen Ressourcen solidarischer miteinander zu teilen, kann die Verbundenheit unter uns Menschen stärken. Papst Franziskus zeichnet das schöne Bild von einer großen, bunten Karawane, in der wir unterwegs sind. In dieser pluralen Gemeinschaft kommt es auf uns und jeden Einzelnen an. Verantwortung lässt sich nicht ans Kollektiv abschieben. Wohlstandsghettos werden keine Zukunft haben. Egoistisches Abkapseln ist wohl keine gute Strategie. 

Auch Europa kapselt sich ab – Stichwort Migration. Wie hängen Flucht und Klimawandel zusammen?

In unseren Partnerdiözesen in Afrika sind die Auswirkungen des Klimawandels nicht mehr zu übersehen. Zum Beispiel ist in Burkina Faso die Regenzeit von drei Monaten auf einen Monat geschrumpft. Natürlich machen sich Menschen aus den stark vom Klimawandel betroffenen Ländern auf den Weg, um ein besseres Leben zu finden. Die Klimakrise wird vermutlich der größte Push-Faktor für die zukünftigen Migrationsströme sein. Es zeichnet sich jetzt schon ab. Wir müssen uns bewusstwerden, dass unser lokales Handeln globale Auswirkungen hat.  

Bewusstseinsbildung kann auch über Kunst und Kultur funktionieren. Sie sind selbst Künstler – Was können Sie mit Kunst besser vermitteln als mit Worten?

Vieles. Kunst erreicht tiefere Schichten in uns. In der Kunst können wir die großen Fragen des Lebens verhandeln, da steckt enorm viel Potenzial zur Bewusstseinsbildung und für ein solidarisches Lernen – Hinschauen, Wahrnehmen, Selbstkorrektur. Die Sprache der Kunst kann berühren, herausfordern, Barrieren abbauen und Lösungen aufzeigen. Letztlich geht es darum, unsere Herzenskraft zu stärken und mit größerer Freiheit den anstehenden Problemen zu begegnen. Kreativität und Spiel legen oft unvermutete Lösungsansätze nahe.  

Bischoff der Diözese Innsbruck vor religiösem Denkmal

Wenn Sie in die Zukunft blicken – was stimmt Sie positiv? 

Ich bemerke, dass Leute im guten Sinn unruhig werden – sind doch die Anzeichen drastischer Klimaveränderungen in der Häufung der Naturkatastrophen unübersehbar. Von der Jugend kommt der nötige Druck, nicht mehr wegzuschauen, mit Phrasen zufrieden zu sein, sondern ins Tun zu kommen. Und es gibt viele Menschen, die mit gutem Beispiel vorangehen. Sie zeigen, dass eine echte, ganzheitliche Umkehr unseres Lebensstils und der gesellschaftlichen sowie wirtschaftlichen Strukturen doch möglich ist. Übrigens hat Jesus zum Zusammenhang von Reden und Handeln folgende wichtige Aussage getätigt: „Wer diese meine Worte hört und danach handelt, ist wie ein kluger Mann, der sein Haus auf Fels baute.“ (Mt 7,24) Wenn wir nur reden, bauen wir auf Sand. Ich bin zuversichtlich, dass uns gemeinsam eine Wende gelingt. 

GEMEINDE, BETRIEB ODER BILDUNGSEINRICHTUNG: JEDEN MONAT HOLEN WIR EIN BESONDERS ENGAGIERTES KLIMABÜNDNIS-MITGLIED VOR DEN VORHANG

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